von jogiwan » 31. Okt 2013, 08:53
Wenn ein Kriminalroman dem Poliziesco-Haudegen Maurizio Merli gewidmet ist, liegt es wohl auf der Hand, dass der ermittelnde Kommissar Ernst auch mal etwas ruppiger agiert. Und ruppig ist teils noch untertrieben, wenn sich der misanthropische Ernst aufmacht um einen bizarren Mordfall an einem Bremer Promi-Friseur zu lösen, der in seinem Salon mit einem zweckentfremdeten Aal ermordet wird. Die Ermittlungen einer Woche führen den kantigen und kauzigen Kommissar dann auch geradewegs in gesellschaftliche Schichten, die ober- und unterhalb des Durchschnitts angesiedelt sind und überraschen nicht nur den Ermittler durch unerwartete Abgründe und seltsame Begegnungen.
Das Bild der Stadt Bremen, welches in dem humorvoll-, wie brutalen Roman gezeichnet wird, ist ja nicht unbedingt das Beste und wäre ich in der beschaulichen Stadt nicht schon zu Gast gewesen, würde ich mir einen Besuch wohl gründlich überlegen. Kein Tag vergeht, in dem die Stadt nicht Schauplatz grausiger Verbrechen wird und Ernst bleibt angesichts zahlreicher Delikte auch fast schon zu wenig Zeit für den eigentlichen Fall, der im Verlauf der einwöchigen Ermittlungen auch zunehmend größere Kreise zieht.
Die Geschichte ist dabei zwar manchmal für meinen Geschmack etwas arg turbulent ausgefallen und „Kommissar Zufall“ wird ebenfalls des Öfteren bemüht, aber Keßler schafft es recht gut, den Leser stets bei Laune zu halten. „Aalglatt über Leichen“ besticht neben viel Bremer Lokal-Kolorit dann auch durch Keßlers Beobachtungsgabe über die kleinen Dingen des Alltags und seinen popkulturellen Background, den er auf seine Figuren überträgt, den typischen Humor und jovialen Umgang mit den zahlreichen Charakteren und seinem kultivierten, fast schon Dandy-haften Umgang mit der deutschen Sprache, die seine Texte auf so wundersame Weise lesenswert machen.
Obwohl das Thema „Film“ natürlich im ersten (von drei geplanten) Kriminal-Roman nicht im Vordergrund steht, so gibt es natürlich Berührungspunkte und nette (Insider-)Jokes, in der man als Fan des bisherigen Outputs und Keßlers launigen Kommentaren in sozialen Netzwerken auch hübsch auf seine Kosten kommt. Die durchaus wilde Geschichte würde ja auch gut zu einem überdrehten und abgeschmackten Genre-Film vergangener Jahrzehnte passen und hat auch keine Scheu zu Lasten der Glaubwürdigkeit mal etwas über die Stränge zu schlagen.
Unterm Strich ist „Aalglatt über Leichen“ dann auch ein schwer unterhaltsames Stück Belletristik, dass trotz einiger inhaltlicher Überraschungen wohl das Werk darstellt, das man sich insgeheim von Keßler gewünscht hat. Das Buch liest sich jedenfalls locker-flockig, macht Laune und Witz und Wahn halten sich hübsch die Waage. Sogar für eine aufkeimende Liebesgeschichte ist dann noch Platz genug und ich bin daher schon gespannt, wie es in Deutschlands „gefährlichster Stadt“ und dem Mann, der sich den Verbrechern so mutig und entschlossen entgegenstellt, im nachfolgenden Teil 2 so weitergeht.