von buxtebrawler » 9. Feb 2015, 22:55
„Horrorfilme sind doch jetzt total in!“
Deutsche Horrorfilme waren in den letzten Jahrzehnten rar gesät, doch im Jahre 2000 begab es sich, dass das noch unter dem Eindruck von „Scream“ und Konsorten stehende Stalk’n’Slash-Subgenre um gleich zwei deutsche Produktionen bereichert wurde: Im Februar erschien „Anatomie“ und nur zwei Monate später „Flashback – Mörderische Ferien“, letztgenannter unter der Regie Michael Karens („Verführt – Eine gefährliche Affäre“). Und Karen bewies mit seiner Verfilmung des Drehbuchs von „Hammer“-Veteran Jimmy Sangster, überarbeitet durch Nathalie Scharf, dass er das Genre verstanden hat.
Jeanette Fielmann (Valerie Niehaus, „Rohtenburg“) befindet sich in psychologischer Behandlung, seit sie als Kind mitansehen musste, wie ein wahnsinniger Serienmörder ihre Eltern umbrachte. Seitdem sind zehn Jahre vergangen und ihr behandelnder Arzt Dr. Martin (Erich Schleyer, „Die rote Zora“) hält die Zeit für gekommen, sie wieder in die normale Welt zu entlassen. Er hat ihr einen Ferienjob als Französischlehrerin für die jugendlichen Kinder eines Kollegen, die Geschwister Leon (Xaver Hutter, „Snow White - Sex, Drugs, Hip Hop und verlorene Träume“), Melissa (Alexandra Neldel, „Erkan und Stefan“) und Lissy (Simone Hanselmann, „Sex & mehr“), in einem idyllischen Alpenörtchen vermittelt. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft nimmt eine unheimliche Mordserie ihren Lauf – treibt der Mörder von Jeanettes Eltern wieder sein Unwesen?
„Hier liegt der Hund begraben!“ – „Ach! Wo denn?“
Mit einer fulminanten Szene im Zug steigt der Film in die Handlung ein, um im Anschluss einen brutalen, harten Familienmord durch eine irre, mit einer Sichel bewaffneten Gestalt im Frauenkleid zu zelebrieren, in dessen Verlauf das Kind mit Blut bespritzt wird. Dieses Ereignis entpuppt sich als Erinnerung Jeanettes unter Hypnose bei ihrem Therapeuten, der sie schließlich aus der Anstalt entlässt. Von nun an bietet die ländliche alpendeutsche Idylle den ungewohnten Hintergrund für diesen Slasher, womit er sich eines Alleinstellungsmerkmals bereits sicher sein kann. Jeanette trifft auf den hessischen Komödianten Martin Schneider als Taxifahrer und anschließend auf die Jugendlichen, denen sie Französischunterricht erteilen soll. Während der Zuschauer bereits einen verräterischen Sichelabdruck an der Stallwand erblickt, geht erst ihr Gepäck verloren, taucht jedoch wieder auf – nur ihr knielanges geblümtes Kleid fehlt…
„Von Trauer hab‘ ich in diesem Hause noch nie etwas gespürt!“
Mit Niehaus, Neldel und Hanselmann – die beiden letzteren seinerzeit vor allem durch ihre Beteiligung an der RTL-Daily-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ bekannt, kann „Flashback“ auf drei tolle Mädels mit Ausstrahlung (und, ja, für einen Film wie diesen ausreichendem schauspielerischen Talent) zurückgreifen und auch Xaver Hutter fügt sich gut ins Geschehen ein, irritiert jedoch als einziger mit süddeutschem Akzent. Den jungen Schauspielern zuzusehen macht Spaß und schöne sommerliche Bilder konterkarieren manch harten, blutigen Mord. Eine reinrassige Splatterszene mit einem Mähdrescher wurde leider komödiantisch inszeniert und zur weiteren Abschwächung mit Zirkusmusik unterlegt, was schade ist, denn ansonsten ist der Humor zwar sicherlich generell etwas überdosiert, häufig aber gelungen und macht aus dem Film noch keine Komödie, sorgt lediglich für erhöhte Lockerheit. Einen Running Gag integrierte man schwarzhumorig in Form eines verwesenden Mordopfers, das noch in seinem Auto sitzt, während die Dorfpolente immer wieder an ihm vorbeifährt, ohne etwas zu bemerken.
„Das ist wie einem Alkoholiker einen Schuss Heroin zu verpassen!“
Die Teenies verbringen ihre Freizeit mit einer Pool-Party, sehen sich einen Horrorfilm im Kino an (wo richtig was los ist, unter anderem die Unsitte, miteinander während des Films zu telefonieren, weil man ein paar Reihen auseinandersitzt…) und provozieren mitunter die arme Jeanette, mit der Leon gar anbändelt. In entscheidenden Momenten platziert „Flashback“ unheimliche Szenen wie ein aus einer Schranktür lugendes Auge, zieht den Härtegrad an oder treibt die Hintergrundgeschichte durch weitere Rückblenden in jene schicksalhafte Nacht aus Jeanettes Kindheit voran, denn weder sie noch der Zuschauer wissen, wie es nach ihrer Konfrontation mit dem Mörder weiterging. Das sorgt neben dem Whodunit? für ein beträchtliches Maß an klassischer Spannung und schließlich eine einerseits von den Klassikern und Ursprüngen des Subgenres inspirierte, andererseits dennoch originell anmutende, überraschende Entwicklung, die in einer schönen Pointe mündet. Zu einem typischen orchestralen Soundtrack, der mit sanften Rocksongs angereichert wurde, verdeutlicht „Flashback“ unmissverständlich, dass er ein nach den Genreregeln funktionierender Slasher ist, gar nichts anderes sein möchte, dabei jedoch genug Selbstbewusstsein besitzt, seine abendländische Herkunft gar nicht erst zu verschleiern zu versuchen, sondern sie zielführend einzusetzen. So bietet Michael Karen dem Zuschauer im Prinzip alles, was dazugehört bzw. man gern in einem Slasher sieht, angefangen bei einem psychologischen Hintergrund und traumatisierenden Kindheitsereignis über ein paar Rotzlöffel, die zu weit gehen, schwarzen Humor und Rätselraten bis hin zu bösen, blutigen Morden. Nicht ganz verhehlen kann er dabei die eine oder andere Logiklücke, auf die man allerdings erst bei näherer Betrachtung stößt und für meinen Geschmack hätte man den Humoranteil gern etwas zurückschrauben dürfen, aber auch in dieser Form bleibt ein mittlerweile gut abgehangenes Qualitätsprodukt aus hiesiger Filmschmiede, das zeigt, dass es geht, wenn man denn nur will
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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